Interview mit „Politikum“ von WDR 5
Max v. Malotki
Donald Trump ist zurück und macht sich warm für den nächsten Anlauf. Er spricht schon von seinem wahnsinnigen, unglaublichen Comeback. Viele in Europa gucken von außen zu und schütteln ungläubig den Kopf, dass Amerika diesen Mann tatsächlich noch einmal in Betracht ziehen könnte. Unser Gesprächspartner sagt: „Kopfschütteln allein reicht nicht. Es geht mittlerweile um die Demokratie an sich und da müssen auch wir was tun.“ Ich habe mit Stefan Liebich gesprochen, früher Bundestagsabgeordneter der Linken und heute bei der Rosa Luxemburg Stiftung. Guten Tag Herr Liebich!
Stefan Liebich
Schönen guten Tag, Herr von Malotki
Max v. Malotki
Was genau heißt das für Sie? Sollten wir uns als Deutsche wirklich in den amerikanischen Wahlkampf einmischen?
Stefan Liebich
Ja, das klingt auf den ersten Blick natürlich ein bisschen komisch. Wenn dort zwei normale Parteien miteinander ringen, so wie früher, die Demokraten, ein bisschen sozialdemokratischer, und die Republikaner, ein bisschen konservativer, ginge uns das nichts an. Aber das ist eben leider nicht mehr der Fall. Die Republikaner sind keine normale konservative Partei mehr, sondern sie haben sich zu einer rechtsradikalen Trump-Sekte entwickelt. Und tatsächlich geht es jetzt um die Zukunft der Demokratie in den Vereinigten Staaten von Amerika. Und das kann uns ja nicht egal sein, denn was in den USA passiert, das hat bei uns dramatische Konsequenzen.
Max v. Malotki
Jetzt ist es aber so, dass wir zum Beispiel beim letzten Wahlkampf, wo es ja auch um Trump ging, auch Russland ausführlich kritisiert haben für vermeintliche Einmischung im US Wahlkampf. Wäre das, wenn wir das jetzt machen, nicht das gleiche und genauso zu verurteilen?
Stefan Liebich
Nein, das wäre nicht das gleiche. Wir haben auch gute Beispiele dafür. Als beispielsweise Herr Macron in Frankreich das erste Mal gegen Frau Le Pen kandidiert hat, hat der deutsche Regierungssprecher klar gesagt, dass er sich einen Sieg von Macron wünscht. Ebenso der Außenminister. Das war Sigmar Gabriel damals. Es ist durchaus so, wenn es darum geht, ob die Demokratie Bestand hat, dass wir dann eine Meinung sagen dürfen und auch sagen sollten. Denn ich will noch mal sagen, warum das für uns wichtig ist in Deutschland. Die USA sind unser größter Handelspartner. Energiepolitisch wollen wir jetzt, dass das russische Gas durch Fracking-Gas aus Amerika ersetzt wird und auch sicherheitspolitisch. Die USA zahlen 70 % der Kosten in der NATO. Da kann uns ja nicht egal sein, ob das Land weiter demokratisch ist oder eben nicht.
Max v. Malotki
Wie funktioniert das überhaupt? Ich meine, wenn Deutschland einen Kandidaten oder eine Idee unterstützt, kann das nicht auch zu einer Ablehnungsreaktion führen? Oder zugespitzt: Hat es nicht sogar immer schon zu Verschwörungstheorien geführt? Nach dem Motto Ja, den nimmst du mal nicht. Das ist ein Kandidat, der aus dem Ausland gesteuert wird, eine Sprechpuppe einer internationalen Lobby.
Stefan Liebich
Ich halte das für falsch. Und Donald Trump hat sich übrigens auch nie gescheut, seine Meinung zu den Kandidaten in Deutschland zu sagen. Er hat auch schon, als Olaf Scholz schon Bundeskanzler und in den USA war, ihn beschimpft und kritisiert. Die schrecken davor nicht zurück. Und ehrlich gesagt, unter Demokratien darf man sich die Meinung sagen. Gefährlich wird es, wenn ein Land aus der Demokratie auszusteigen droht. Ich habe das schon vor den letzten Präsidentschaftswahlen öffentlich gefordert und bin damals vom jetzigen außenpolitischen Sprecher der Grünen, Jürgen Trittin, belehrt worden, man könne so etwas nicht tun. Weil, was würde denn dann passieren, wenn der andere dann gewinnt? Das klingt für mich ein bisschen komisch. Wir können uns ja nicht nur für Demokratie einsetzen, wenn es nichts kostet. Ja, das ist ein Risiko. Aber ich finde, wir haben auch ein Interesse. Und deswegen würde ich mir wünschen, dass Deutschland da mehr tut. Und vor allen Dingen, dass die konservative Opposition in Deutschland unter Führung von Friedrich Merz aufhört, das Geschäft der Republikaner zu betreiben.
Max v. Malotki
Um mal zu paraphrasieren Die Sicherheit der deutschen Demokratie wird auch in Washington verteidigt. Aber sind die Wahlen in den USA trotz aller Vorwürfe, übrigens auch von Trump, selbst nicht beruhigenderweise demokratisch, auch wenn wir das Ergebnis vielleicht nicht mögen?
Stefan Liebich
Sie sind anders als bei uns. Das ist erst mal nichts Schlimmes. Sie basieren auf sehr alten Prinzipien und einiges davon ist so alt, dass es Unklarheiten geschaffen hat, die Trump ausgenutzt hat. Ich bin ja als Fellow der Rosa-Luxemburg-Stiftung in diesem Jahr sechs Monate in den USA unterwegs und ich habe unter anderem auch mit einem früheren Kollegen von den Republikanern, Charlie Dent, gesprochen. Er ist langjähriger Abgeordneter aus Pennsylvania und hat selbst davor gewarnt, dass die jetzigen Regeln im US-Wahlrecht Unklarheiten offen lassen. Trump hat beispielsweise seinen Vizepräsidenten aufgefordert, das legitime Wahlergebnis einfach nicht anzuerkennen. Das muss geradegerückt werden. Darum bemühen sich übrigens auch erfreulicherweise Abgeordnete beider Parteien. Aber dass das klargerückt werden muss, zeigt eben auch, dass es Unsicherheiten gibt. Und leider gibt es sehr, sehr viele Vertreter bei den Republikanern, man muss sagen, es ist die Mehrheit der Republikanischen Partei, die Verschwörungstheorien anhängen. Die sagen, wir glauben nicht mehr an Wahlergebnisse und eine ordentliche Wahlauszählung. Und diese Leute, wir hatten jetzt gerade in dieser Woche wieder Vorwahlen in den USA, die gewinnen. Die gewinnen gegen Leute, um ein Beispiel aus Michigan zu nennen, die sich für ein Impeachment von Trump eingesetzt haben. Und das ist ein ganz schlechtes Signal mit Blick auf die Republikanische Partei.
Max v. Malotki
Aber wenn ich das am Ende von Ihnen vielleicht noch kurz als Antwort bekommen könnte, wenn, was Sie sagen, die Resilienz des demokratischen Systems in den USA bröckelt oder zerstört ist, dann muss man da an der Stelle doch was tun. Da wird es doch nicht helfen, wenn wir von außen kommen und ein bisschen mit dazu beitragen versuchen, dass Demokratie eine ganz coole Sache ist.
Stefan Liebich
Schauen Sie, als Annalena Baerbock noch in der Opposition war, hat sie mit Blick auf die USA klar davor gewarnt, dass Rechtspopulisten an die Macht kommen. Als Regierungspolitikerin, als Außenministerin macht sie das nicht mehr. Sie tritt für eine feministische Außenpolitik ein. Und in diesem Land muss eine 10-jährige in einen anderen Bundesstaat fliehen, weil sie vergewaltigt wurde und keine Abtreibung mehr in ihrem eigenen Staat bekommt. Da müssen wir doch eine Meinung zu haben! Die haben wir in jedem Land der Welt. Warum sollten wir bei den USA dazu schweigen? Ich glaube, es ist wirklich allerspätestens jetzt an der Zeit, dazu klar Stellung zu beziehen.
Max v. Malotki
Herr Liebich, danke für das Gespräch.
Stefan Liebich
Sehr gern.
Max v. Malotki
Stefan Liebich von der Rosa Luxemburg Stiftung war das hier im Interview im WDR5 Politikum.
Das Gespräch ist hier zuerst veröffentlicht worden: https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-politikum-gespraech/audio-bei-us-wahl-nicht-nur-zuschauen-100.html